8. Sept. 2003
Seewen in Raum und Zeit
Aus urgeschichtlicher Zeit ist uns wenig über hier ansässige Menschen bekannt, weil im Bereich der heutigen Gemeinde Seewen keine einst bewohnte Höhle gefunden wurde. Natürlich lebten die Menschen jener Zeit nicht nur in Höhlen, sondern auch in Zelten. Ihre Standorte sind aber kaum noch auszumachen, weil durch die jahrtausendelange Bodenbearbeitung eventuelle Fundgegenstände über weite Strecken verstreut oder vernichtet wurden. Die in der Kastelhöhle in Himmelried gefundenen ältesten Steinwerkzeuge wurden einer Zeit vor 40 bis 50 000 Jahren zugeordnet. Die Jäger und Sammler dieser Zeit lebten vielleicht nur Stunden oder Tage in solchen Höhlen und zogen dem wanderndem Wild nach.

Auf der Altenfell (oberhalb vom Restaurant Bödeli, Richtung Hochwaldstrasse) fand man im letzten Jahrhundert Hüttenlehm und behauene Feuersteine. Man glaubte damals, dass dies die Überreste einer Pfahlbausiedlung aus der jüngeren Steinzeit, auch Pfahlbauzeit genannt, seien (4000 2000 v. Chr.).

Vor etwa 8000 Jahren entstand der See
Seewens Geschichte beginnt vor etwa 8000 Jahren, am Ende der letzten Eiszeit. Die Pollenanalyse einer Probe aus einer Tiefe von 10 m, nahe dem Seeloch, hat ergeben, dass um diese Zeit ein grosser Bergsturz hier niederging, der das Tal des Seebachs bis auf eine Höhe von etwa 60 m verschüttete. Hinter diesem Wall staute sich der Bach zu einem See, der in Regenperioden bis zur heutigen Allmend gereicht haben dürfte. War dann über längere Zeit schönes Wetter, verkleinerte sich der See rasch, weil das Wasser durch das lockere Bergsturzmaterial einen unterirdischen Abfluss fand. Das Hägeloch ist heute noch ein Beispiel dafür.

Geschichte und Geschichten um den See
Dieser See war den Anwohnern wohl eher lästig als nutzbringend, musste doch im Sommer eine unerträgliche Mückenplage geherrscht haben. Schon im 15. Jahrhundert wurde versucht, den See abzugraben. Dies gelang aber erst im Jahre 1588 dem Wegmeister Conrad Strub vom Hauenstein, indem er einen über 200 m langen Tunnel durch die Erd- und Felsmassen errichtete. Damals war dies sicher der längste Tunnel in der ganzen Schweiz. Eine Sage erzählt, dass beim Tunneldurchstich zum Tode verurteilte Häftlinge eingesetzt wurden. Man vereinbarte mit ihnen, dass sie fortan frei seien, wenn das Werk gelingen sollte. Ein Sträfling sei bei dieser Arbeit ums Leben gekommen. Seine Leiche wurde nie gefunden, doch habe man ihn noch lange Zeit nachher aus dem Tunnel um Hilfe schreien hören.

Abflusswächter Hans aus dem Welschland
Um zu verhindern, dass bei Hochwasser keine grösseren Gegenstände in den Tunnel gelangen und diesen verstopfen konnten, baute man davor einen Rechen, welcher von Zeit zu Zeit gereinigt werden musste. Diese Arbeit besorgte ein vom Vogt eingesetzter Hans aus dem Welschland. Einmal musste es irgendeinen Streit gegeben haben, mit dem sich auch die löbliche Regierung in Solothurn beschäftigen musste. In einem Ratsmanual aus dem Jahre 1599 steht Folgendes:

Zwischen Durs Jäggi und mithaften in namen der gemeindt Seewen eins, denne Welschhansen, dem hüeter bim Seeloch ist urkhundt, daß der Vogt mit der gemeindt rede, dieweil doch m.g.h. (meine gnädigen Herren) einen allda haben müessen, der zum seeloch sorg habe, dass sie ime, welschbansen, daselbst lassen, bis daß er anderetwo hinkommen mag und sy ime syn güetlin abkouffen werdendt.

Dieser Hans oder Jean hat sicher nicht im Traum daran gedacht, dass er bis in unsere Zeit hinein unvergesslich bleiben und noch lange als Flurname weiter leben wird.

Das durch den Tunnelbau gewonnene Land wurde an Bürger von Seewen und Hochwald verkauft. Es hatte aber den Nachteil, dass es Sumpfland blieb, weil der Einfluss zum Stollen zu hoch lag.

Geister und Dämonen im See
Dass so eine Sumpflandschaft auch seine Geister und Dämonen hat, versteht sich von selbst. Ein Beispiel aus dem Buch Baselbieter Sagen berichtet, dass im Jahre 1696 ein Heinrich Thoman von Bubendorf und ein Peter Tschopp von Ziefen beide „grossen Schaden am Vieh“ hatten. Der zu Hilfe gerufene Geisterbanner Samuel Kestenholz von Furlen will um Geld „mit Gottes hilff ihnen helffen und die Stel (Ställe) von den Geistern reinigen“. Mittels einer Wurzel und allerlei Zeremoniell vertreibt er aus dem Bubendorfer Stall einen weiblichen Geist, aus dem Ziefener einen männlichen, die er „in den Moras bey Seben getan – dahin si auch mit grossem geraüsch gefahren“.

Oft stiegen Gase aus dem Moorboden hoch, die sich an der Luft entzündeten und umher flackerten, man sagte ihnen Irrlichter. Andere Leute sagten zu diesem Phänomen, dies seien Männer, die mit der Stall Laterne in der Hand auf Fröschefang seien. Es wurde einst gespottet, dass in Seewen das Fröschefangen einträglicher als die Landwirtschaft sei.

Erinnerung an die Ur-Landschaft
Eine Verbesserung des Bodens brachte die in den Jahren 1919 – 1923 durchgeführte Drainage des See und Allmendlandes. Dass wir trotz all dieser getroffenen Massnahmen nicht ganz Herr über die Natur sind, zeigte sich im Jahre 1948, als sich wieder ein See bis etwa zum heutigen Carunternehmen Vögtli hinauf bildete. Auch in den neunziger Jahren bedeckte sich der Seeboden nach heftigen Regengüssen so mit Wasser, dass man sich in die Urlandschaft zurückversetzen konnte.

Von den Römern zu den Alemannen
Aus der Zeit der Römer sind wir auch auf Vermutungen angewiesen. Anhand der bisher gefundenen Gegenstände möchte ich versuchen, das Dorf so zu beschreiben, wie es etwa um Christi Geburt ausgesehen haben könnte.

Man muss sich vorstellen, dass die ganze Ebene ab der Grenze zu Bretzwil bis zum heutigen Seeloch sicher Sumpfland war. Ein eigentliches „Dorf“ hat es damals sicher noch nicht gegeben, vielleicht nur vereinzelte Höfe und die Leute die da wohnten, nannte man Helvetier oder Rauriker. In dieser Zeit bauten die Römer ihr Reich immer mehr nach Norden aus und man nimmt an, dass eine ihrer Nebenstrassen im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung durch unser Dorf führte. Beim Hof Rechtenberg fand man einst ein römisches Grab und römische Münzen und auf dem Kirchhügel Amphorenfragmente sowie andere Kleingegenstände. Daraus schliesse ich, dass die Strasse von Breitenbach über Nunningen kommend durch die Riseten in den Rechtenberg und von dort hinab zur Staatsstrasse führte. Von hier aus verlief sie wahrscheinlich immer dem linken Abhang entlang bis auf die Allmend. Hier muss sie dann irgendwo das Sumpfgebiet durchquert haben, führte die Küpf hoch, den Fussweg nach Büren zur Orismühle hinunter, wo sie sich mit der Strasse von Gempen-Nuglar herkommend vereinigte. Von hier aus führten sie dann gemeinsam nach der 44 v. Chr. gegründeten Colonia Raurica. Diese einst rein militärische Festung baute Kaiser Augustus bekanntlich zur Stadt aus und nannte sie Augusta Raurica, das heutige Augst.

Im Jahrbuch für solothurnische Geschichte 1932 beschreibt K. Meisterhans die Aussicht auf dem Kirchhügel folgendermassen: „Von der Höhe aus erscheint der nördliche Dorfteil, der sich an die (alte) Bürenstrasse anschmiegt, wie ein römisches Strassenkastell in seinem Grundriss.“
Ich persönlich glaube aber nicht an eine römische Siedlung, eher an einen Aussichtsposten auf dem Kirchhügel mit militärischem Charakter.

Die frühmittelalterlichen Gräberfunde von Seewen
Im Jahre 1935 kamen beim Bau des Schützenhauses zehn Gräber zum Vorschein, die Lehrer Walter Kellenberger und der Konservator des städtischen Museums Solothurn, Eugen Tatarinoff, untersuchten und dokumentarisch festhielten. Die Arbeiten konnten nach zwei bis drei Wochen abgeschlossen werden. Bei den Ausgrabungen half auch die Schuljugend mit, welche die gefundenen Gegenstände reinigte.

1938 stiess man bei einer Wegkorrektur auf ein weiteres Grab. Der Initiative von Herrn Kellenberger war es dann zu verdanken, dass nun die Suche ausgedehnt und systematischer fortgeführt wurde. Weitere siebenundzwanzig Gräber wurden entdeckt, die zum Teil leider fast völlig zerstört waren, weil sie nahe unter der Oberfläche gelegen und damit der Bodenbearbeitung zum Opfer gefallen waren. Nur fünf der gefundenen Gräber wiesen eine Tiefe von mehr als achtzig Zentimeter auf.

In diesen 38 Gräbern fand man die Skelette von 54 Personen, manche Gräber wurden also zwei bis dreimal benutzt. Die Grabbeigaben verweisen auf eine Zeit von ca. 580 bis ca. 700 nach Christi Geburt. Bei 54 Bestattungen in 120 Jahren und einer Lebenserwartung von ca. 40 Jahren ist anzunehmen, dass die Siedlung, die ihre Toten auf dem Galgehübel bestattete, aus 15 bis 25 Personen bestand. Als Standort dürfte wohl die Küpf oder das Zelgli in Frage kommen, schon aus topographischen Gründen. Woher die Bezeichnung Galgehübel oder Galgenhügel stammt, ist ungewiss, jedenfalls wurden damals unsere Vorfahren in allen Ehren bestattet.

Die Kosten dieser Ausgrabung beliefen sich auf 900 Franken, was heute etwa 20'000 - 30'000 Franken entsprechen würde. Damit konnte damals unter anderem vier jungen Arbeitslosen für etwa vier Wochen eine Beschäftigung gegeben werden.

Die Bestimmung des Alters der Gräber wird anhand der den Toten mitgegebenen Waffen, Schmucksachen und Gebrauchsgegenständen ermöglicht. Sie sind je nach ihrem Verwendungszweck aus Eisen oder Bronze, zum Teil versilbert oder gar aus reinem Silber hergestellt. Ein Grab wurde einem Mädchen von fünf Jahren zugeordnet. Die auffälligste Beigabe hier ist eine aus zwei Hälften gegossene Amulettkugel aus einer Bronzelegierung mit einem Scharnier und drehbarem Verschluss. Als ursprünglicher Inhalt kommen wohl Kräuter oder auch Harz in Frage, mit welchem man Weihrauch erzeugen konnte. Da dieser Inhalts auch in den Kirchen Verwendung fand, werden diese Fundstücke auch „christliche Amulette“ genannt; sie wurden ausschliesslich Frauen ins Grab beigegeben. In den anderen Gräbern waren eher Dinge des täglichen Gebrauchs und der Wehrhaftigkeit, vor allem einige Kriegsmesser von 40 cm Länge, Messer, Pfeilspitzen, Feuerstahl, Ahlen, Gürtelschnallen, Knöpfe, Ohrringe. All diese Fundstücke wurden dem Museum von Solothurn geschenkt.

Zwei bis drei kleinere Siedlungen im 7. Jahrhundert
In Seewen stiess man noch an andern Orten auf Gräber, so im Luterkinden, am Loorain, im Grund, am Stiegenrain und auf dem Kirchhügel. Man vermutet, dass diese Gräber nur ein Ausschnitt einer grösseren Friedhofsanlage waren. Sollte dies zutreffen, so ist anzunehmen, dass es hier gleichzeitig zwei bis drei Siedlungen gab, die ihre Toten in ihrer unmittelbaren Nähe bestattet haben. Die meisten dieser Gräber entdeckte man zu Beginn dieses Jahrhunderts; sie werden anhand der damaligen Beschreibung und der Beigaben der gleichen Zeitperiode wie jene des Galgenhügels zugeschrieben. Die bei der Kirchen Innenrenovation im Winter 1977/78 noch gefundenen Gegenstände entstammen einer frühmittelalterlichen (jener des Galgenhübels) sowie einer mittelalterlichen und neuzeitlichen Periode. Die spärlichen Beigaben konnten damals nur zwei Gräbern zugeordnet werden, die andern lagen im ganzen Kirchenschiff verstreut.

Quelle:
Andreas Motschi:
Das frühmittelalterliche Gräberfeld von Seewen-Galgenhügel SO,
in: Archäologie des Kantons Solothurn, 7, 1991.


Die Zeit bis ins Spätmittelalter

Erste urkundliche Erwähnung
Der Name unseres Dorfes kommt von Sewin, das ist eine Dativform und heisst soviel wie „am See“. Urkundlich ist unser Dorf erstmals im Jahre 1147 erwähnt, als Papst Eugen III das Kloster Beinwil in den Schutz des apostolischen Stuhls aufnahm und ihm alle gegenwärtigen und zukünftigen Besitzungen zusicherte. In diesem Zusammenhang wird in Sewin eine Kapelle genannt, das bedeutet, dass die Seewener von da an etwa ein Viertel des Zehnten als Kirchensteuer an das Kloster abliefern mussten. Im Jahre 1252 wird eine Kirche und 1307 eine Mühle erwähnt, die auch dem Kloster gehörten.

Seewener Herrschaften
Seewen vererbte sich von den Grafen von Saugern auf diejenigen von Thierstein. Am 20. Dezember 1317 trat Graf Ulrich von Thierstein in Ausübung seiner kastvögtlichen Rechte Seewen an Thüring und Burkard Werner von Ramstein ab und empfing dafür zuhanden des Klosters ihr Gut zu Brislach mit dem Patronatsrecht über die Kirche zu Rohr bei Breitenbach. Rudolf von Ramstein, der letzte der freiheitlichen Linie von Ramstein, verschrieb am 24. Februar 1424 seiner Gemahlin Ursula von Geroldseck 1000 Gulden, das heisst jährlich 50 Gulden Zins, auf seinem Dorfe Seewen mit Leuten, Gütern, Gerichten und Zubehörde.
Als er am 4. Oktober 1459 starb, fiel Seewen an seine Witwe. Ihre Tochter Ursula war vermählt mit dem Freiherrn Thomas von Falkenstein, der nun Erbe im Eigengut zu sein glaubte. Langwierige Streitigkeiten nahmen ihren Anfang. Auf Betreiben der Witwe von Ramstein wurde der Freiherr von Falkenstein am 20. Juni 1460 vom Hofgericht zu Rottweil geächtet. Wohl nicht ohne Zutun dieser Frau überfielen am 9. November 1460 die „Gesellen von Olten“ das Dorf Seewen und verheerten es mit Raub und Brand. Zuhause jedoch wurden sie von der Obrigkeit gar nicht freundlich empfangen. Solothurn hatte gute Nachbarsdchaft mit Seewen gehalten und war schon mit dem Gedanken umgegangen, das Dorf von der verarmten Familie zu kaufen. Am 11. September 1462 verpfändete Ursula von Ramstein Seewen für 700 Gulden an Solothurn. Daran knüpfte sich ein langer Prozess der Stadt mit Thomas von Falkenstein, der das Pfand für seine Tochter Elisabeth einlösen wollte. 1469 entschied Graf Oswald von Thierstein, dass Solothurn 300 Gulden auf das Pfand schlagen dürfe und dessen Loslösung gegen 1000 Gulden zu gewähren habe. Aber Thomas von Falkenstein konnte nicht zahlen. Es kam am 23. Mai 1469 zu einem neuen Vertrag, worin sich Thomas von Falkenstein als Vormund seiner Tochter Elisabeth zur Zahlung eines jährlichen Zinses von 35 Gulden ab der Herrschaft Seewen verpflichtete und in der Folge sein Wort auch hielt.

Verkauf an Solothurn
Seit 1482 waren über Seewen Kaufverhandlungen im Gange. Am 30. Januar 1484 erwarb Solothurn, in einem ersten Brief von den Kindern aus zweiter Ehe des Falkensteiners, Seewen für 1900 rheinische Gulden, von welcher Summe die 700 Gulden Pfandsumme und 520 Gulden unter anderem für Naturalzinse, die Bernhard von Laufen dem Heinrich Grünenfels in Liestal zu zahlen hatte, abzuziehen waren; Solothurn musste innerhalb von zwei Monaten nach dem Tode der Elisabeth von Falkenstein die Restsumme in Basel zuhanden der Erben deponieren. Am 6. Februar willigte Elisabeth in den Kauf ein, worauf obiger Vertrag am 9. Februar erneuert wurde. Am 17.Februar und 2. April lieh Solothurn der Elisabeth von Falkenstein je 100 Gulden. Diese konnte gegen vollen Abkauf bewogen werden, Seewen an Solothurn abzutreten, nachdem sie sich mit ihren Stiefgeschwistern geeinigt hatte. Solothurn zahlte am 19. September 1485, als Seewen endgültig an die Stadt überging, noch 300 Gulden, sie hatte offenbar schon vorher die übrigen 380 Gulden getilgt. Seewen war damals die erste solothurnische Gemeinde diesseits des Passwang.

Die kriegerischen Verwicklungen um 1500
Zur damaligen Zeit war die Lage besonders unruhig. Kaiser Maximilian bedrohte die Eidgenossenschaft von der Ost und Nordseite bis ins Elsass. Er beabsichtigte, das Schloss Dorneck einzunehmen, wollte aber vorher die Verteidigungskraft der Schweizer auf die Probe Stellen. Unter dem Kommando von Heinrich von Fürstenberg griffen am 14. Juni 1499 drei tausend Mann von Westen her an, verbrannten die Dörfer Seewen, Hochwald und Büren, sie zerstörten auch einen Verhau, den die Seewener in einer Ausdehnung von einer halben Meile errichtet hatten. Anschliessend griffen sie den Friedhof an, in den sich die Verdeidiger zurückgezogen hatten. Um diese starke Position wurde hartnäckig gekämpft, doch schliesslich mussten auch diese Truppen, die unter dem Kommando von Wilhelm Suhr standen, die Flucht ergreifen. Nun drang der Feind in die Kirche ein und erstach dort einen totkranken Knecht (Krieger), der vorher noch die Sterbesakramente empfangen hatte. Da die Kirche durch diese Freveltat entweiht wurde, wandte sich der Pfarrer hilfesuchend an Solothurn. Diese wiederum sandten ihn mit einem Missiv nach Basel zum bischöflichen Vikar (der Bischhof war gerade landesabwesend) und liessen ihn ersuchen, wie dem Übelstand abzuhelfen sei „umb dz die armen Lüt in disen schweren und sorgsammen Löiffen nit so viehisch in Sterben und Werden mussent sitzen.“ Die Antwort lautete dahin, dass vorerst keine Messen gelesen und keine Toten auf dem Friedhof begraben werden dürfen, aber „Kint töuffen und zur den Krancken die heiligen Sacrament mitteilen, mögen die Priester doselbs wol tun, auch also die Sacrament dorinn rossen und behalten.“ Für die Bestattungen weist das Schreiben auf die Benutzung der benachbarten Kirchhöfe hin. In der Haffner Chronik aus dem Jahre 1666 steht, dass anno 1500 Herr Fillimanus, Weihbischof zu Basel, die Kirche „reconciliert“ habe, die im vergangenen Krieg entweiht wurde.

Der Überfall auf Seewen
Die Feinde zogen sich anschliessend siegreich gegen Liestal zurück und obwohl noch Hilfe aus Laufen kam, kam es zu keinem Gefecht mehr, eher nur noch zu Belästigungen der Wegziehenden. Im Bericht von Hauptmann Suhr an die Regierung über den Überfall von Seewen heisst es:
Item wollend wessen, dz Graff Heinrich v.Fürstenberg mit der Gard, Strassburg, und wen er umb sich hat gebebt, uff drygtusend Man starck ist assgezogen uff Sontag vor Vite Modeste (9.Juni) in Schwütz by Sollenturn und haben daselbst verbrannt vier Dörffer und uff sechsteig erstochen und zweyhundert Pferd und Ochssen mit inen haruss bracht, und haben nit me denn zwen Man verloren vor eim starcken Kirchhoff, den si gestirmt und verbrant haben. Ist den Schwützern ein grosser Hochmut so tief in sy gezogen; sy hatten ein Gefell mit grossen Bömen uff ein halb Mul Wegs lang an Hauwenstein verfeilt, dz sy nit meintten, dz niemans douwenste möchte. Do hat Groff Heinrich ettwan vil Ägst und Segen mit sin genumen, dz sy bald hindurch haben geschnitten. Ist ein Wohrheit und gantz nutz gelogen. Anders nüwer Mer weiss ich nit.

Wie wir wohl noch aus der Schule wissen, war bei den Verteidigern auf dem Schloss Dorneck auch ein Seewener dabei, nämlich Hauptmann Fridolin Trösch. Diese Leute waren auch in grosser Bedrängnis, sahen sie doch, wie der Feind unten am Birsufer sein Lager aufgeschlagen hatte und die Kanonen auf das Schloss richtete. Von Hauptmann Trösch ist ein Brief erhalten geblieben, den er in seiner Not am 20. Juli 1499 an die Obrigkeit in Solothurn richtete:

Unser liewen und trüwen Prünt. Unser sind noch by zechen in üwerm Schloss Dornekg und nit me; die andren sind zuo Bassel und sind recht so rich worden, dz sy des Solds uff dem Schloss nüt me (bedürfen). Damit ist üwer Schloss nit versorgt, denn unser ist zuo wenig. Und sind dise Nacht nie ab der Mur kamen, und sind die Fiend um dz Schloss gangen, und kumpt uns Warnig gnuog, wend ir nit mit Iren reden, dass sy komend uns sich uff das Schloss machen. Da sy mit uns hin bescheiden sind, so wand wir auch hinus, oder schikend uns ander in der Zuosatz, denn unser ist zuo wenig, und man wirt uns zugsetzen me denn vor. Darnach tuend, das ir trüwend, das üwer Schloss bewart sy.

Geben zuo Dornekg uff Samstag uff Rechne vor Mitag. Houptman Fridly Trosch und ander üwer Diener.




Die Schlacht am Magdalenentag 1499
Am 22. Juli 1499, am Magdalenentag, griffen dann die Eidgenossen, die in langen Tagesmärschen heranmarschiert waren und in Gempen rasteten, den Feind in einem Überraschungsangriff an. Graf Heinrich von Fürstenberg verlor schon früh sein Leben, so dass den Angreifern eine wichtige Führung fehlte. Wären aber im letzten Moment nicht noch die Luzerner und Zuger zu Hilfe gekommen, so wäre der Ausgang der Schlacht ungewiss gewesen; so aber errangen die Eidgenossen einen überwältigten Sieg. Im Baumgarten in Gempen steht ein kürzlich renoviertes, fast unscheinbares Denkmal, das an diese Schlacht erinnert, es ist ein Baumstrunk mit angehängtem Brotsack.

Quellen:
Die territoriale Entwicklung des Kanton Solothurn, 1916.
Jahrbuch für Solothurnische Geschichte, 1928.
Eugen Tatarinoff, Die Schlacht bei Dornach, 1899.
Solothurner Urkundenbuch
Die Haffnerchronik aus dem Jahre 1666
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